Grübeleien / Thoughts

Warum bloggen? Und: Wie narzisstisch sind Blogger?

Schon wieder ein Blog von jemandem, der meint, sein Leben sei so spannend und seine Gedanken so klug, dass alle daran teilhaben möchten? So habe ich vor nicht allzu langer Zeit noch über die Blogs anderer Leute gedacht. Für wie wichtig halten die sich eigentlich?, fragte ich mich. Jetzt habe ich selbst einen Blog.

Abgesehen davon, dass ich es selbstherrlich und exhibitionistisch fand, sein persönliches Tagebuch online mit aller Welt zu teilen, wusste ich auch nicht, wie dieses Bloggen eigentlich funktioniert, rein technisch. Im Vergleich zu vielen meiner Altersgenossen bin ich nicht übermäßig Technik- und Internet-affin, ja manchmal, ich gebe es zu, geradezu rückständig. Ich habe, als jeder schon längst auf das Smartphone umgestiegen war, noch lange an meinem alten Handy festgehalten und mein Prepaid-Guthaben von Penny Mobil regelmäßig an der Supermarkt-Kasse aufgeladen. Was kann so falsch an voller Kostenkontrolle sein – und wer braucht schon unterwegs permanent Internet? Seit ich selbst ein Smartphone habe, weiß ich, wie praktisch es ist, wenn man sich in einer fremden Stadt dank google maps sofort zurechtfindet. (Trotzdem liebe ich das traditionelle Kartenlesen mehr. Archäologen sind in dieser Hinsicht etwas konservativer.) Und ja, auch im Elfenbeinturm der Wissenschaft wird stillschweigend vorausgesetzt, dass man mehrmals täglich seine Mails checkt und bitte auch schnellstmöglich beantwortet. Einzige Auszeit sind für mich die Sommermonate auf Grabung: Sich einmal im Jahr vorbehalten können, nicht sämtliche digitalen Ergüsse anderer wahrzunehmen oder zu beantworten. Dann kann ich triumphierend ankündigen, dass ich die nächsten acht Wochen „raus“ bin, irgendwo in der Pampa; wie die Wohnverhältnisse seien, wisse ich nicht, und schon gar nicht, wie es um das fließende Wasser und gar das Internet bestellt sei. Zugegebenermaßen ist das meist maßlos übertrieben und ich freue mich doch, wenn ich nach der ersten Woche per Email ein paar Bilder aus dem Grabungsalltag an meine Familie verschicken kann.

In den ’social media‘ habe ich mich lange Zeit nur auf Facebook bewegt. Bei Twitter habe ich mir anlässlich einer Konferenz eher halbherzig ein Profil angelegt, das ich aber schon wenige Wochen danach kaum noch benutzt habe; Instagram ist mir zu inhaltsarm und mit seinen Hashtags zu strategielastig, und es gibt vermutlich zig anderer Seiten, von deren Existenz ich nicht einmal etwas ahne. Ich bin zu faul, mich überall einzulesen, mich in neue Anwendungen einzudenken – und ich habe keine Lust, von denselben Menschen täglich über drei oder mehr verschiedene Kanäle mit Texten und Bildern überschüttet zu werden. Dennoch gefällt es mir, zumindest über Facebook mitverfolgen zu können, was Andere beschäftigt, wo sich meine Freunde gerade aufhalten und manchmal sogar, was ihr Haustier für lustige Dinge anstellt. Allerdings geht dabei das, was mich eigentlich interessiert, oft in Banalitäten unter: „Hhhhhkggo zfdwow h111…. too drunk to write“; „Theresa gefällt ‚In einer Woche zum Waschbrettbauch‘ “; „Voted für: Kann diese Banane mehr Likes als George Clooney haben?“; „Arne hat 100 Punkte in dem Spiel Cherry Tree gewonnen“; etc. pp.

Es wäre selbstgerecht, die Facebook-Posts und -Aktivitäten Anderer als langweilig und unwichtig abzutun, während man sich doch selbst möglichst viele Leser und Likes für die eigenen Neuigkeiten erhofft. Dennoch hat jeder seine eigenen Vorlieben und wird im Vorbeiscrollen bestimmte Formate, Inhalte oder Personen visuell aussortieren; ich glaube, man eignet sich automatisch eine sehr selektive Wahrnehmung an. Was dabei allerdings stört, sind Leute, die immer wieder, mehrmals täglich mit ihren Posts geradezu dreist die Aufmerksamkeit aller einfordern; die sich in ihrer vermeintlichen Genialität immer wieder selbst kommentieren, die einem zu jeder Tageszeit von der Startseite der aktuellsten Meldungen unverschämt entgegenblinken, bis man sich endlich, mit schlechtem Gewissen, dazu überwindet, sie zu blockieren, um dem einseitigen Text- und Bildersturm ein Ende zu setzen. Da ich mich der Wahrnehmung anderer nicht mit solch brachialer Gewalt aufdrängen will, habe ich mich dazu entschieden, einen Blog zu starten. So können Freunde, Familie und Bekannte selbst entscheiden, ob sie an ausführlicheren Berichten aus meinem Leben teilhaben möchten oder nicht. Wenn sie etwas Konkretes von mir oder über mich lesen wollen, müssen sie es nicht aus Hunderten von störenden Beiträgen herausfiltern, sondern erhalten sorgsam portionierte Informationen in überschaubarer Form.

Ob Katzenfotos, Strickprojekte oder Reiseberichte – jeder Blog entsteht aus der Überzeugung heraus, dass die eigenen Ideen, Meinungen oder Erlebnisse eine mehr oder weniger allgemeine Beachtung verdienen. Wer nur für sich selbst schreiben will, kann das in seinem persönlichen – papiergebunden, haptischen – Tagebuch tun und es unter seinem Kopfkissen verstecken. Ein Blog aber, selbst wenn er auf einen bestimmten Personenkreis eingeschränkt ist, impliziert eine gewisse Erwartungshaltung: Die Hoffnung auf begeisterte Leser, die ihre Anerkennung in Kommentaren und Likes ausdrücken. Für jeden Blogger ist das eine Form von Selbstbestätigung und narzisstischer Befriedigung. Und ja, natürlich hoffe auch ich, dass Euch meine Fotos gefallen, denn ich finde sie zu schade, um sie nur auf dem Desktop meines staubigen PCs rumliegen zu lassen. Aber: Was ist daran so falsch? Ein Blog belästigt niemanden, er zwingt sich niemandem auf. Keiner muss meine Seite aufrufen, der sich nicht dafür interessiert. Und selbst wenn ich über Facebook auf einen neuen Blog-Eintrag aufmerksam mache, verpflichtet das niemanden, den Eintrag zu lesen.

Die Idee, einen Blog zu starten, hat sich irgendwie langsam, aber selbstbewusst in meinen Kopf eingeschlichen. Und mit ihr die Überzeugung, dass Bloggen eine unaufdringlichere, da ignorierbare, Form der Selbstdarstellung ist als es die persönlichen Profile und Posts auf Facebook, Twitter und Co. sind. Vermutlich ging meine Meinungsänderung mit der Selbsterkenntnis einher, dass auch ich ohne Internet nicht kann. Und wer täglich auf Facebook rumstöbert, kann genauso gut etwas Eigenes produzieren. Zugegebenermaßen bin ich auch ein wenig der Ästhetik der WordPress-Themes erlegen, die für jeden Bedarf ein geradezu unerhört schickes Design anbieten. So habe ich mich nun der Aufgabe verschrieben, regelmäßig schön Anzuschauendes – und, wenn ich mich mal besonders geistreich fühle, auch Lesbares – zu bloggen. Es handelt sich dabei um meine ganz subjektive Sicht der Welt, um meine Erlebnisse und um Dinge, die das Leben (zumindest für mich) schöner machen. Mit meiner Seite hoffe ich Euren Alltag um ein wenig Ästhetik zu bereichern und auch um den ein oder anderen Denkanstoß oder Reisetipp.

Wie narzisstisch also sind Blogger? Meine Antwort: Genauso narzisstisch wie jeder andere, der sich überlegt, zu welcher Tageszeit man strategisch am besten postet, um entweder die Zielgruppe arbeitende Frühaufsteher, nachmittägliche Kaffeetrinker oder schlaflose Studenten zu erreichen; dem beim Vibrieren des Smartphones ein heimlicher Schauer über den Rücken läuft und dessen Tageslaune mit jedem Like exponentiell ansteigt. In diesem Sinne: Feel free to like & share ;)

3 Kommentare

  1. Ein Blogger will sich selber feiern. Und je größer der Blog wird je besser. Der Erfolg gibt einem dann einen Energieschwung/Erfolg beflügelt. Die Texte werden automatisch besser, weil man sich mehr traut.

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      1. Ich hab drei Mal in der Jahren eine Benefizparty der Aidshilfe Ulm moderiert. Mich haben auf der erfolgreichsten Party 700 Leute gesehen. Ich dachte mir, endlich kriege ich die Aufmerksamkeit die ich verdiene. In meinem Job verdiene ich mein Geld mit Buchhaltungsthemen. Da ist alles mit Öffentlichkeit ein willkommener Ausgleich.

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