Von Oktober 2017 bis Januar 2018 war ich mit meiner Kollegin Zsuzsanna Végh („Zsuzsi“) mit dem Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs von Frankreich bis nach Tunesien. Anschließend haben wir, mit Zwischenstopp in Rom, noch drei Wochen in Äygpten verbracht. Die Reise konnten wir dank eines Reisestipendiums des Deutschen Archäologischen Instituts machen, und ich habe sie komplett auf diesem Blog dokumentiert. Das Reisestipendium wird seit 1859 jährlich einigen ausgewählten jungen Wissenschaftler:innen der Archäologie und verwandter Fächer nach der Promotion verliehen. Es dient der eigenen Weiterbildung im Fach, denn man reist mit dem Stipendium einmal rund ums Mittelmeer, um sich die antiken Stätten, die man sonst nur aus Büchern kennt, vor Ort anzuschauen. Für diese einzigartige Möglichkeit stellt sich dann nur noch die Frage: links- oder rechtsrum ums Mittelmeer?
Für das Reisestipendium bewerben kann sich, wer die Doktorarbeit mit 30 Jahren erfolgreich abgeschlossen hat. Diese Altersgrenze war einer von mehreren starken Motivatoren für mich, um meine Promotion so zügig abzuschließen. Geholfen hat dabei aber vor allem, dass ich mein Forschungsthema liebe und mit viel Spaß daran gearbeitet habe (außerdem – ich gebe es zu – bin ich ein Arbeitstier, das alles direkt angehen und nichts aufschieben will, was mir in der Wissenschaft sehr hilft; allerdings muss ich mich dabei aus Selbstschutz auch manchmal selbst ausbremsen …).
Die Reise war das bisher größte Abenteuer unseres Lebens, und noch dazu unsere erste Fahrradreise. Dementsprechend intensiv haben wir uns vorbereitet und im Voraus recherchiert. Skepsis ist uns anfänglich von vielen Seiten entgegengebracht worden (inklusive meiner überängstlichen Mutter), aber selbst das Deutsche Archäologische Institut war schließlich begeistert von unserer Berichterstattung und den Bildern – immerhin waren wir die ersten und bisher einzigen Reisestipendiat:innen mit Fahrrad. Traditionellerweise kaufen sich die Stipendiat:innen sonst einen alten VW-Bus – wir haben Geld gespart und waren dafür umweltfreundlicher und sportlicher unterwegs.

Ja, Fahrradreisen sind anstrengend – nicht nur körperlich, sondern auch, weil man die Routen genauer planen, das Wetter bedenken und das Gepäck stark beschränken muss. Oft lenkt Google einen auf unbefahrbare Schotterpisten (Apps wie „komoot“ funktionieren hier besser), und manchmal stellt man fest, dass man seine eigenen Reserven bei einer steilen Anfahrt überschätzt hat, doch lernt man sich und seine eigenen Kräfte und Grenzen mit der Zeit besser kennen. Dafür ist man auf dem Fahrrad näher dran an Natur und Menschen – ganz ohne Autoglas dazwischen -, man erlebt Landschaften und Klima intensiver, macht Bekanntschaften mit Menschen, Schafen, Eseln, Kühen im Vorbeifahren; man muss sich Ziele hart erarbeiten und kommt mit dem wohligen Gefühl an, dass man sich die warme Mahlzeit und das warme Bett am Abend auch wirklich verdient hat. Das schönste ist jedoch die Feststellung, dass man eigentlich fast gar nichts braucht und dass man auch mehrere Monate problemlos mit dem Inhalt von drei Fahrradtaschen auskommen kann.
Zunächst einmal war für uns das Fahrrad das Mittel der Wahl, weil wir beide kein Auto fahren. Mit dem Fahrrad wären wir schneller als nur zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln, da wir in kleinerem Radius ein eigenes Fortbewegungsmittel hätten und dennoch bei Bedarf die Räder mit in Bahn, Bus oder gar Flugzeug nehmen könnten, so der Gedanke. Rückblickend und schon während der Reise haben wir festgestellt, dass wir für uns persönlich eine bessere Art zu reisen nicht hätten wählen können – und ich würde mich jederzeit wieder für das Fahrrad entscheiden. Eigentlich hätte das Reisestipendium 12 Monate gedauert, doch zum 1. Februar 2021 habe ich meine jetzige Stelle als Kuratorin der Heidelberger Antikensammlung antreten dürfen – und zu so einer großartigen Möglichkeit konnte ich nicht Nein sagen, auch wenn ich das Reisestipendium nur schweren Herzens nach schon vier Monaten beendet und meine Reisegefährtin Zsuzsi mit ihrem Fahrrad Vespi (Vespasian) weiterziehen lassen habe. Das Fahrradreisen (Bikepacking) hat mich jedoch seitdem nicht mehr losgelassen, und auch wenn ich so schnell nicht wieder monatelang Zeit dafür haben werden, versuche ich, ab und an kleinere Radreisen zu machen, wie beispielsweise 2018 und 2021 nach Frankreich.
>> Alle Stationen unserer Reise gibt es hier zum nachlesen: https://durchdiebrille.com/tag/reisestipendium/