Archäologie / Archaeology Reisen / Travel

Entlang des Atlantiks: Von Tanger bis Larache mit dem Rad

Ich schreibe diesen Blogpost aus dem mondänen „Grand Café Lixus“ in Larache. In dem weiträumigen Saal mit Flügel laufen geschäftig Kellner auf und ab, vor uns auf dem Tisch steht ein silbernes Kännchen Minztee mit einem winzigen Topflappen zum Anfassen des Kannenhenkels beim Ausschenken; Gruppen junger Männer unterhalten sich in gedämpfter Lautstärke, aber es gibt auch gemischte Pärchen und zwei Frauen allein an einem Tisch. Auf Bildschirmen an der Wand bewegen sich Frauen in hautengen Glitzerkostümen anzüglich zu englischsprachiger Popmusik.

I am writing this blogpost from the glamorous „Grand Café Lixus“ in Larache with its elegant interior and busy waiters crossing the spatious salon. We are sipping sugared mint tea that is served in silvery teapots with tiny potholders. Groups of young men are dining together, but there are also mixed couples and women only sharing tables. We hear English pop music, and on large screens, women are shown dancing in sexy costumes.

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Grand Café Lixus, Larache.

Die Speisekarte des Grand Café Lixus enthält alles, was das europäische Herz begehrt, vom Käse-Omelette bis zur Pizza. Leider ist mein Darm seit gestern in keiner guten Laune, weswegen ich den Leckereien widerstehen muss. Von welchem der unglaublich leckeren Chawarmas (Kebabs), öligen Pfannkuchen oder französischen Backwaren, die wir in den letzten Tagen unterwegs an Straßenständen und Imbissen gekauft haben, diese Probleme herrühren, weiß ich nicht, aber mein europäischer Magen ist wohl leider nicht so viel gewöhnt. Wenige Tage später sollte es Zsuzsi auch erwischen.

The menu at Grand Café Lixus contains everything a European desires, be it cheese omelette or pizza margherita. My digestive tract, however, is not in a good mood these days, probably because of some of the yummy streetfood we have tried the past days. Zsuzsi would become sick shortly afterwards, too.

4km vor Larache, auf der anderen Seite eines trostlosen Sumpfgebiets nördlich der Stadt, befindet sich die römische Stadt Lixus, für deren Besichtigung wir eine Nacht in dem halbsauberen Hotel Hay Essalam verbrachten. Larache ist unsere zweite große Station in Marokko, nach Tanger. Die Stadt ist nicht schön, wirkt aber auf mich relativ modern; um den kreisförmigen Place de la Libération reihen sich schickere Restaurants und Cafés, wenige Meter weiter versammeln sich abends junge Leute, um in Grüppchen den Blick auf das Meer und das Fort al Kabibat bei Sonnenuntergang zu genießen.

4km distant from the modern Larache, across a depressing marshland, the Roman city Lixus was situated. Larache is not a very beautiful city, but seemed rather modern to me, and we spent one night in the semiclean Hotel Hay Essalam, next to the Hotel Espagna. Around the Place de la Libération, some elegant cafes and restaurants are located, and nearby, groups of young people gather in the early evening to watch the sun go down over the sea and the Fort al Kabibat.

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Larache, Sumpfgebiet. // Larache, marshland.

 

Larache, Innenstadt. // Larache, city centre.

Auch Tanger ist keine auf den ersten Blick wirklich einladende Stadt; von der Uferstraße am alten Hafen ist die Stadt mit ihren verschiedenen Niveaus nur teilweise einzusehen; um die Avenue Mohammed V sind Neubauten unpassend aneinandergereiht. Die Medina hingegen hat wirklichen Charme; an ihren Rändern herrscht geschäftiges Treiben, legen Händler ihr Gemüse auf dem Boden aus und verkaufen alte Frauen Walnüsse in Tüten. Im Süden ist die Medina von kleinen, teils menschenleeren Gässchen durchzogen, während der Nordteil, um die Kasbah, wie geleckt für Touristen aussieht. In dem schönen Kasbah-Museum hat uns Konservator Brahim Salimi, ein Freund unseres Gastgebers Simon, durch die hauseigene Sammlung geführt.

Tanger is not a very welcoming city at first sight either. From the riverside road of the old harbor, you cannot really overlook the different levels of the city. Along the Avenue Mohammed V, modern buildings are somehow unpleasantly arranged. Tanger’s medina, however, is truly charming. Its peripheral areas are crowded with fruit stands and women selling walnuts; in the South, you can walk along completely empty, narrow lanes, while the North, around the Kasbah, seems almost artificially clean. We got a guided tour through the archaeological collection of the beautiful Kasbah Museum by curator Brahim Salimi, a friend of our host Simon.

 

Tanger und Larache liegen knapp 100km auseinander; weil sich zwischen ihnen aber auch noch das Ausgrabungsgelände der antiken römischen Stadt Zilil, nahe dem modernen Ort Asilah, befindet (und dort keine Busse halten), haben wir diese Strecke in zwei Etappen mit dem Fahrrad zurückgelegt: von Tanger nach Zilil mit anschließender Übernachtung in Asilah, und am nächsten Tag von Asilah nach Larache. Die Strecke führt am Atlantik entlang und offenbart besonders am Anfang, südlich von Tanger, schöne Ausblicke auf das Meer, wenn man sich den Müll wegdenkt. Es sieht so aus, als wären hier große Bauprojekte für Wohn- und Hotelanlagen (z. B. „Tanger Beach“) geplant, um die weißen Sandstrände touristisch fruchtbar zu machen. Einzig den Mann, der mit weißem Schaum vor dem Mund bewusstlos am Straßenrand lag, hatten wir zwischen den schönen Meerblicken nicht erwartet.

Tanger and Larache are 100km distant from each other, but in between the two lies the Roman site of Zilil, close to the town Asilah. Because busses neither stop in Asilah nor in Zilil, we did this stretch along the Atlantic coast by bike in two days, with an overnight stay in Asilah. The road (N1) from Tanger offers nice views on large, empty but partly dirty beaches; large building projects seem to be in process there (“Tanger Beach” and others). The only thing we did not expect while cycling along the sea was that man lying beside the road unconsciously, with white foam at the mouth.

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N1.
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N1.
Am Atlantik entlang. // Along the Atlantic coast.

Wir stoppten und sprangen winkend am Straßenrand auf und ab; glücklicherweise hielt sofort ein Auto, und seine Insassen, eine komplette Familie, stiegen aus. Während die Männer sich um den reglos am Boden Liegenden kümmerten, blieben wir mit den Frauen im Hintergrund. Weitere vier oder fünf Autos stoppten, während der Mann nach mehrmaligem Zucken wieder zu Bewusstsein kam. Man richtete ihn auf, sammelte Geld (für einen Arzt?) ein. „Diabetes“, erklärte uns einer der Umstehenden. Vielleicht war es auch epileptischer Anfall oder Drogenkonsum, wir wissen es nicht. Aber hier hat sich unser Reisekonzept positiv bewährt: Mit dem Fahrrad ist man näher am Menschen; wären wir nicht vorbeigeradelt, wer weiß, wie lange der Mann dort noch gelegen hätte, ohne den vorbeifahrenden Autofahrern aufzufallen?

We stopped and ran onto the street, waving and jumping, to stop the passing cars. Luckily, one family immediately pulled up; while the men were looking after the unconscious guy, we remained in the background with the other women. Some more cars pulled up, while the man came awake again. Several people helped him stand up, and they collected money (for a doctor?). “Diabetes”, one guy explained us; we don’t know if that’s true, or if epilepsy or drugs were involved here. In any case travelling by bike proved its good side: who knows how long the man would still have been lying there if we had not taken notice of him?

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Mittagspause. // Lunch break.

Von der Nationalstraße N1 an der Küste führt der Weg zum römischen Zilil über die Dörfer bis nach Dchar Jadid. Wir wurden von Eselstreibern und Kleinkindern freundlich gegrüßt und haben mit unserem zweiminütigen Einkauf von zwei Küchlein in einem kleinen Laden wahrscheinlich für Gesprächsstoff für Wochen gesorgt. In Zilil grasen Esel und Lämmchen friedlich zwischen den Ruinen; von dem antiken Stadtgebiet, das eine größere Fläche als das von Volubilis umfasst haben soll, ist leider wenig ergraben und erforscht; auf dem Gelände gibt es keinerlei Pläne oder Informationen.

From the national road, N1, on the coast, another road leads slightly inland, through several villages, to the Roman site of Zilil, close to the village Dchar Jadid. We were greeted friendly by kids and donkey drivers, and we probably became the subject of gossip for next two weeks with our two minutes stop in a small shop to buy cookies. At Zilil, donkeys and little lambs peacefully graze between the ancient ruins which unfortunately have not been extensively excavated and researched, even though Zilil is said to have once occupied a larger area than the Roman city Volubilis.

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Zilil.

Kaum angekommen, sahen wir von Weitem einen Mann auf uns zu eilen, der jedoch glücklicherweise in größerem Abstand stoppte, wohl um uns nicht zu verunsichern. „Willkommen, ich bin von hier, das ist mein Dorf, willkommen, ich kenne mich aus mit Archäologie, woher kommt ihr?“, rief er uns in einem Mischmasch aus Englisch und Französisch zu. Wir stellten uns blöd, blieben aber höflich. Er kam näher, schüttelte unsere Hände. „Nachher einen Tee trinken, unsere Tiere anschauen, vielleicht ein Souvenir kaufen? Wir haben viele Tiere, gute Tiere“, erklärte er weiter. Wir nickten brav. „Später, später“, versprachen wir. Er eilte davon, um kurze Zeit später in einem neuen weißen Hemd wieder aufzutauchen: „Fertig?“. Wir waren genervt. Nachdem wir ihn endlich abgeschüttelt und unsere Besichtigung fortgesetzt hatten, beschlossen wir, einen Umweg durch die Felder zu nehmen, um sein Haus nicht passieren und anstrengende Diskussionen über uns ergehen lassen zu müssen. Der Coup gelang glücklicherweise.

We had only just arrived on the site, when we saw a guy heading towards us. He stopped in some distance (maybe to not scare us) and shouted, in a mix of French and English: “Hello, welcome, I am from here, this my village, welcome, I have learned archaeology, where are you from?” We acted as if we hadn’t really understood. He came closer and shook our hands. „Later, drink a tea, watching my animals, perhaps buying souvenirs“, he continued. “We have many animals, nice animals.” We nodded. „Later“, we agreed well-behaved. He walked away, just to turn back shortly afterwards, now dressed in a new white shirt. “Finished?” We became annoyed. When he finally took off again, we decided to take a different way back in order not to pass his house and get involved in more annoying discussions. We were successful, but had to cross some muddy tracks across the field.

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Zilil.

Nach dem Schock des bewusstlosen Mannes am Straßenrand und dem nervigen Bauern aus Zilil waren wir froh, in Asilah in dem Hotel Sahara eine günstige Bleibe, wenn auch mit nur kalter Dusche, gefunden zu haben. Die freundliche Hotelwirtin erlaubte uns nach vielem Rumprobieren, die Fahrräder mit ins Zimmer zu nehmen, wo wir so eine gemütliche Nacht zu viert verbrachten. Die nächsten 45km bis nach Larache radelten wir entspannt am nächsten Tag.

After this nerve-racking day, including an unconscious man on the roadside and a very penetrant farmer (?), we were more than happy to arrive at Asilah. The friendly lady at the cheap Hotel Sahara allowed us to have our bikes with us in the room, as we weren’t happy with all other proposed options. The next day, we cycled another relaxed 45km to Larache.

5 Kommentare

    1. Lieber Martin,

      vielen Dank für den Tipp! Allerdings sind wir, auch wenn ich mit dem Blog noch etwas hinterherhinke, schon in Tunesien. Nächstes Mal dann!

      Schöne Weihnachtstage Dir und den Deinen und viele Grüße aus Mahdia

      Polly

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