Für unsere ersten Tage in Tunis hatten wir uns über Couchsurfing bei einem netten jungen Pärchen, Semi und Rym einquartiert; Rym ist IT-lerin, Semi Anwalt, und die beiden leben in Ariana, einem der besseren Wohnviertel im Norden von Tunis. Hatten wir in Europa hauptsächlich bei (alleinlebenden) Männern gecouchsurft, die einfach am unkompliziertesten sind, wenn es darum geht, Fahrräder und viel Gepäck in der Wohnung unterzubringen und dabei möglicherweise auch noch Dreck zu machen oder Möbel umstellen zu müssen, haben wir für Nordafrika unsere Strategie geändert und nur nach Frauen oder Pärchen als Gastgebern gesucht.
For the first nights in Tunis, we had arranged a stay via Couchsurfing, with a nice young couple, Semi and Rym. Rym works in IT, semi is a lawyer, and they live in one of the fancier quarters in the North of Tunis, Ariana. In Europe, we had mostly stayed with (single) men who seemed most relaxed about all our stuff and about taking our bikes (and possibly also some dirt) in the apartment. For Northern Africa, we changed the strategy and looked only for women or couples as hosts.


Semi und Rym haben uns sehr herzlich aufgenommen und uns am ersten Abend gleich in eine sehr schicke Dachterrassenbar mit tunesisch-algerischer Musik zu „American snacks“ und Pizza ausgeführt. Unsere Gastgeber schienen Wert darauf zu legen, uns Tunis von seiner besten, d. h. modernsten, Seite zu zeigen. Einen anderen Tag hat Semi uns das beste Couscous gekocht, das wir in Tunesien gegessen haben – natürlich schön scharf, mit viel Harissa (tunesische Würzpaste aus Peperoni). Auch Rym nahm ihre Rolle als Gastgeberin sehr ernst und erkundigte sich mehrfach täglich über Whatsapp, wo wir gerade seien, oder merkte an, dass es nun Zeit für das nächste Besichtigungsziel sei. Wir seien sehr gut organisiert, erklärte sie uns mehrfach anerkennend, wenn wir von unseren Besichtigungsplänen berichteten. „In Tunesien haben wir ein Zeitproblem“, meinte sie. Und tatsächlich waren Zsuzsi und ich morgens die Einzigen, die pünktlich um halb acht fertig waren, um das Haus zu verlassen, wenn Semi und Rym eigentlich zur Arbeit gemusst hätten. Denn da Rym grundsätzlich ihren Wecker zu überhören schien, klopften wir sie nach einigem Zögern meist gegen Viertel nach sieben wach; dann kam sie eilig aus dem Schlafzimmer gelaufen, um sich fertig zu machen und mit immerhin nur einer halben Stunde Verspätung zur Arbeit zu kommen.
We felt warmly welcomed by Semi and Rym who took us out already the first night to a quite posh rooftop bar with Tunisian-Algerian live music. It seemed important to them to present us a very modern side of Tunis; another day, Semi cooked a delicious couscous for us, spiced with a lot of Harissa (the typical Tunisian spice paste made from pepper). Rym took her role as our host very serious, too, sending us Whatsapp messages several times a day, asking us where we were and reminding us when it was time to move on to the next sight. She told us several times of being very impressed by how organized we are with our sightseeing schedules. “In Tunisia, we have a problem with timing”, she explained. And indeed, Zsuzsi and I always were the only ones being ready to leave the house at half past seven when Semi and Rym would have had to go to work. Rym, apparently regularly missing the alarm, only woke up when we knocked on her door to be sure that she was awake at 7.15. She would then come out and prepare herself for work to arrive there only half an hour too late.
Tunis ist keine schöne Stadt, und mein Ästhetikempfinden hat, besonders nach Marokko, im Kontrast, doch sehr gelitten. Viele Straßen sind dreckig, der Putz blättert von den Häusern; selbst in vermeintlich zentralen Stadtvierteln sind manche Straßen nicht gepflastert, normal aussehende Häuser stehen unmittelbar neben heruntergekommenen Ruinen, und um die nächste Ecke endet eine Straße manchmal plötzlich in einer Müllhalde. Durch die Hauptverkehrsachsen von Tunis wälzen sich morgens zwischen sieben und neun genauso wie abends zwischen 17 und 19 Uhr kilometerlange Staus. Das Radeln haben wir trotz alledem nicht als unangenehm empfunden, weil sich die Autofahrer erstaunlich rücksichtsvoll zumindest uns gegenüber (als Radlerinnen? Frauen? Fremde?) verhielten. Mit dem Fahrrad kann man sich außerdem, wie mit dem Roller, gut an Staus vorbei und durch enge Straßen schlängeln. Einziges Problem sind die stinkenden Autoabgase in der Stadt; wenn man von außerhalb in die Stadt hineinradelt, merkt man den Smog sehr schnell.
Tunis is not a beautiful city, and I was missing some aesthetics, especially after Morocco. Streets are dirty, the plaster is coming off the walls of houses and shops; smaller streets even in seemingly central districts are lacking pavements, normal houses stand next to ruins, and sometimes a street just ends in a garbage dump. During rush hour – between 7 and 9 in the morning and between 17 and 19 – large roads are blocked by long traffic jams. Cycling didn’t seem to be a problem, nonetheless, because car drivers were quite respectful towards us (as cyclists? Women? Foreigners?). On the bike, just like on a motor scooter, you can skip the traffic jam and pass even very narrow streets. The only problem is the smog which makes a huge difference you will realize when you enter the city from outside by bike.
Tunis hat eine sehr große Fläche, weswegen man durchaus schonmal 10km durch die Stadt radeln muss, um von A nach B zu kommen, z. B. von unserer Unterkunft zum Musée Bardo, einer der großartigsten Sammlungen, die wir auf unserer bisherigen Reise gesehen haben. Das Museum hat durch den Anschlag im März 2015 traurige Berühmtheit erlangt, und obwohl die Sicherheitskontrollen seitdem drastisch erhöht wurden, scheint es leider nur noch wenige Touristen dort zu geben. Das mag auch an der Jahreszeit liegen, aber uns haben verschiedentlich Tunesier in Läden und Cafés bedrückt berichtet, dass es nicht mehr viele Touristen gäbe, weil viele Menschen Angst vor Terrorattacken im Land hätten; umso freundlicher waren die Leute uns gegenüber.
Tunis occupies a very large area, so you can easily cycle some 10km to get from A to B, like from Semi’s and Rym’s place to the Musée Bardo, one of the most impressive collections we have seen so far on our trip. It became sadly famous after the terrorist attack in 2015, and even though there are strict security controls now, there were only a few tourists inside – maybe because it was off-season, but several Tunisians in shops and cafés told us that tourists are scared because of potential terrorism attacks in Tunisia. That’s why most people seemed especially friendly towards us, being two of the very rare tourists everywhere we went to.
Das Bardo-Museum ist sehr modern, mit großzügig inszenierten Stücken und einer wahnsinnigen Sammlung von Funden aus punischer Zeit, aus einem römischen Schiffswrack, das vor Mahdia gefunden wurde, und räumeweise riesigen Mosaiken. Man könnte darin problemlos mehrere Tage verbringen, allerdings hat Tunis auch noch sehr viel Anderes zu bieten, nämlich die Überreste Karthagos, des ehemaligen großen Widersachers Roms. Reste der punischen Stadt und des punischen Militärhafens kann man in dem heute noch Carthage genannten Stadtteil am Meer besichtigen; im Dritten Punischen Krieg wurde Karthago 146 v. Chr. durch die Römer zerstört und erst später neu gegründet und wiederaufgebaut. Auch aus der römischen Stadt ist Vieles erhalten, u. a. das große Gelände der Antoninus-Thermen, Villenkomplexe, ein Theater sowie Areale, die z. T. im Rahmen den Projekten des Deutschen Archäologischen Instituts ergraben wurden, wie z. B. das sog. Quartier Didon an der Rue Procope.
The Bardo museum is very modern and spacious, with beautifully presented objects, be it Punic artefacts, finds from a Roman shipwreck close to Mahdia, or dozens of rooms with giant mosaics on display. You could easily spend several days in the museum, but Tunis also has plenty of archeological sites: From Carthage, the former enemy of Rome, Punic houses and the Punic military harbor have survived; after being destroyed during the Third Punic War by the Romans in 146 BC, only later, a new – Roman – Carthage, emerged, and there are, among others, the baths of Antoninus, residences, and a theatre to visit, as well as areas excavated by the German Archaeological Institute, such as the so-called Cartier Didon near the Rue Procope.
Mit dem Fahrrad haben wir einen Ausflug in die römische Stadt Uthica gemacht, die sogar an einer Fahrradroute liegt, die in einer tunesisch-italienischen Kooperation beschildert wurde. Nach Dougga, das etwas weiter von Tunis entfernt (ca. 110km) liegt, kann man entspannt mit dem Sammeltaxi, dem Louage (wie es in Tunesien heißt), von der Taxistation Bab Saadoune aus fahren. Die Fahrt dauerte insgesamt ca. zweieinhalb Stunden mit einmal Umsteigen in Téboursouk und kostete uns umgerechnet 6€ pro Person. Die zu besichtigenden Teile der numidischen, später römischen Stadt erstrecken sich über ein weitläufiges Areal und umfassen große Gebäudekomplexe wie das Theater mit Scenae, den Kapitolstempel, weitere Heiligtümer, Gräber, mehrere Zisternen u. a.
We cycled to the Roman site of Uthica which is even part of a cycle route installed as a Tunisian-Italian cooperation. To visit Dougga, which is farer away (ca. 110km from Tunis), we took a grand taxi, a Louage (as it is called in Tunisia), from the taxi station Bab Saadoune. It took us about two and a half hours to arrive there, with changing the Louage once, at Téboursouk. The price was about 6€ per person. The Numidian, later Roman city occupies a vast area and offers large building complexes, such as a theatre with a stage, the temple of the capitolium, other sanctuaries, graves, large cisterns, and more to visit.
Auch die römische Stadt Thuburbo Maius (bei Zaghouan) bildet ein weitläufiges Gelände mit zahlreichen Wohnhäusern, öffentlichen Gebäuden wie Heiligtümern, Thermen und einem nicht ausgegrabenen Amphitheater. In Uthina (Oudna), wo nur einzelne Gebäudekomplexe zu besichtigen sind, wurden wir von den lokalen Archäologen sehr freundlich empfangen und bekamen auch noch die Darstellung antiker Mythen durch tunesische Kunststudenten in sehr bunten Videoinstallationen vorgeführt.
The Roman city Thuburbo Maius (near modern Zaghouan) covers is similarly large, with a residential quarter, public baths, temples, and an unexcavated amphitheatre. At Uthina (Oudna), only some building complexes are accessible, but we were friendly welcomed by the local archaeologists and were shown the colourful depictions and video installations of ancient myths by Tunisian art students.
Das klingt ja schon wieder viel positiver!
Viele Grüße
Martin
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Ja, nicht alles in Tunesien war unschön; trotzdem war es das Land, das mir bisher auf der Route am wenigsten gefallen hat.
Viele Grüße jetzt aus Kairo
Polly
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