Reisen / Travel

Chaos Kairo

Mit Kairo bin ich in den drei Wochen, die wir dort verbrachten, bis zum Schluss nicht warmgeworden, und viele meiner Ägyptologenfreunde haben eine Hassliebe zu der Stadt entwickelt: Der Verkehr ist so dicht und chaotisch, dass das Hupen eine Tinnitus-artige akustische Kulisse bildet; die Verursacher des permanenten Hup-Konzerts gönnen niemandem die Vorfahrt – stattdessen versucht jeder, der erste und schnellste zu sein, auch wenn er damit einen Stau verursacht. Die Straße als Fußgänger zu überqueren, ist entsprechend schwierig; ein Autofahrer stoppte erst, als sein Reifen bereits meinen Schuh berührte. Ich habe mich oft gefragt, wie diese Mentalität das sonstige Alltags- und Sozialleben beeinflusst.

While the three days in Alexandria were a quite nice experience, inlcuding the train ride there from the „Ramses Station“ in Cairo, Cairo itself was a real challenge for me, as was Egypt in general. Most of my Egyptologist friends somehow hate and love Cairo: The traffic is so heavy that honking seems to be a casual mode of communication; car drivers begruge others to be first, and they refuse to stop if you want to cross a street. One man even touched my foot with the front wheel of his car as I was crossing the road.

Straßenordnung in Kairo. // Kairo street views.

Mit uns haben Leute auf der Straße meist nur schreiend kommuniziert, wobei ich – quasi „lost in translation“ – ohne Arabischkenntnisse nicht zu erkennen in der Lage war, ob es sich um freundliche oder unfreundliche Ansprachen handelte. Für mich als Deutsche hört sich das ägyptische Arabisch, und die Lautstärke, in der es gesprochen wird, grundsätzlich eher aggressiv an, aber das ist, wie gesagt, nur die subjektive Wahrnehmung einer Unwissenden. Die Zustände in den Straßen, die Mengen an Müll und die Armutsraten jedenfalls sind nicht vergleichbar mit irgendetwas, das ich auf meinen bisherigen Reisen gesehen habe. Selbst in ehemaligen Gräbern mittelalterlicher islamischer Friedhöfe leben Menschen, wie in der sogenannten „City of the Dead“.

I was wondering how this mentality affects other aspects of daily life and social interaction. In the streets, people often shouted at us but I could never tell if it was meant to be friendly or not, since I don’t speak any Arabic, so the language and volume people speak at sounds rather aggressive to me as a German; but this, of course, is a merely subjective and possibly wrong impression. The level of poverty, and the amount of garbage you see in the streets is not comparable to anything I have seen before; people even house in former graves of the medieval islamic cemetery, the „City of the Dead“.

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Erdbebengeschüttelt: Koptischer Friedhof. // Earthquake-shaken: Coptic cemetery.
Heruntergekommener (aber noch genutzter) koptischer Friedhof. // Run-down (but still used) Coptic cemetery.

Deprimierend waren für mich die fehlenden Farben: in all dem Smog habe ich Kairo immer nur als eine Mischung von Grau-Beige-Tönen wahrgenommen, die alle Fotos wie durch einen Filter erscheinen lassen. Was mich aber neben dem Verkehr und den Müllbergen an unserem Ägyptenaufenthalt am meisten geärgert hat, war die Abhängigkeit von Personen, die ihre Autorität mit Waffen oder Schlüsseln begründen: Wenn man eine archäologische Stätte besichtigen will, muss man in der Regel einen Kontrolleur mit Maschinenpistole am Eingang passieren, um zu einem weiteren Kontrolleur mit großem Schlüsselbund zu gelangen. Den Typen mit den Schlüsseln muss man bezahlen; den Typen mit der Waffe sollte man nicht verärgern. Selbst wenn man ein reguläres Ticket gekauft hat, wird am Monument selbst noch einmal kräftiges Bakschisch (Trinkgeld) verlangt, damit man hineindarf. Man ist abhängig von diesen Personen, wie dubios auch immer sie aussehen – ich konnte an Unterhemd und Flipflops jedenfalls nicht immer identifizieren, ob es sich um offizielle Behörden handelte oder nicht.

With all the smog, I perceived Cairo like through a dusty greyish-beige filter; the lacking colours (look at the pictures!) pretty much depressed me. But what annoyed me most during our stay in Egypt however, apart from the traffic and the piles of garbage that you see almost everywhere, was the dependence on people who have guns or keys: If you would like to visit an archaeological site, you will have to pass a man with a gun checking you and your papers, and then a man with a key for the monument. Even if you have bought a regular ticket, you will have to pay the man with the key an extra bakshish (tip) to open the monument for you, and you better don’t mess with the guy with the gun. You depend on these guys, even though you never get to know who they are, who they belong to, if they are official authorities, or not. Just having a gun or a key means they have the power, even if they otherwise just hang around drinking tea in flip flops and stained singlets.

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Müllberge in der Stadt. // Piles of garbage within the city.

An fast jeder Straßenecke in Kairo steht ein bewaffneter Kontrollposten, und einige der Botschaften im Stadtteil Zamalek haben sich ihre eigenen Schutzmauern zur Straße hin errichtet, zum Schutz gegen Attentate. Den Pressespiegel, den wir während unseres Aufenthaltes jeden Tag von der Deutschen Botschaft weitergeleitet bekamen, hat mein Sicherheitsempfinden nicht gerade verbessert – sei es durch Nachrichten zu militärischen Einsätzen gegen Terroristen in irgendeinem Wüstengebiet, zur Verhaftung homosexueller Menschen oder zu den regelmäßig wechselnden Präsidentschaftskandidaten, die alle der Reihe nach ihre Kandidatur sehr schnell wieder zurückzogen. Auch wenn klar ist, dass das Auswärtige Amt und seine Auslandsvertretungen sehr vorsichtig sind und das Bild in den Nachrichten häufig nur durch die negativen Schlagzeilen geprägt wird, habe ich mich in Äygpten leider nicht 100%ig wohlgefühlt. Aber das ist in Ordnung – man kann sich nunmal nicht überall gleichermaßen wohlfühlen; sich aus seiner eigenen Komfortzone herauszubewegen, zeigt einem selbst, was man woanders schätzt.

At almost every street corner, there is a soldier or armed man controlling the street, and some of the embassies at Zamalek have constructed their own protection walls against bombing. The messages we got forwared by the German embassy every day did not make me feel really safe either, be it the military strikes against terrorists in the Sinai, the apprehension of supposedly homosexual people, or the regular withdrawal of presidential candidates. Although I know that the German foreign ministery is being overcautious with warning their fellow countrymen abroad, and that in the media you mostly get to read the bad and not the good stories, I did not feel 100% comfortable in Egypt, unfortunately. But I guess that’s okay – you cannot feel equally comfortable everywhere, and moving out of your own comfort zone makes you understand what you personally need, and makes you appreciate things you enjoy elsewhere even more.

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Blick von der Zitadelle. // View from the citadel.
Grau, grau, grau ist alles, was ich sehe. // 50 shades of grey.

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