Ein Blogeintrag über Rom ist schon lange überfällig, fällt mir gleichzeitig aber sehr schwer, weil mich mit Rom lange Zeit eine Hass-Liebe verbunden hat. Wie kann man diese wunderbare Stadt hassen?, werden sich jetzt all diejenigen fragen, die sie kennen. Lasst mich erklären – und relativieren.
A blog post about Rome has long been due, but it is also tricky for me, because I have long had a love-hate relationship with the city. How could you hate Rome?, you will ask. Let me explain – and revise.

Eigentlich verbinden mich viele gute Erinnerungen mit Rom, vor allem an gemeinsame Reisen dorthin mit meinem Vater, der die Stadt sehr geliebt und viel bereist hat. Auch meine Mutter hat mich, zusammen mit meiner Kindergartenfreundin Veronika, einmal auf einen für uns Teenies aufregenden Ausflug in die Ewige Stadt mitgenommen. Nichts lag deshalb im Studium näher, als Rom bei einem Erasmus-Auslandssemester noch einmal besser, und mit den Augen einer nun angehenden Archäologin (aber damals noch nicht durch die Brille), kennenzulernen.
I have always had many good memories of Rome, especially from trips with my dad who had a great passion for this city; but also my mum had taken me there once, together with a friend, when we were still teenies and very excited about it. Such trips were the reason I got interested in archaeology and after all started ancient studies several years later, at Heidelberg University. Not surprisingly, for my Erasmus semester abroad I chose Rome which naturally is the center of interest for Roman archaeologists.
In Rom zu leben, bedeutet jedoch etwas ganz anderes als die Stadt für ein paar romantische Tage zu besuchen, musste ich damals schnell lernen. Natürlich ist es nie ganz leicht, an einem neuen Wohnort Anschluss zu finden. Als einer der touristischsten Orte Europas und der Welt macht Rom es frischen Ankömmlingen aber besonders schwer, als neue Stadtbewohner anerkannt zu werden. Dass ich keine Italienerin bin, sieht man mir sofort an – dementsprechend wurde ich sehr oft behandelt wie eine Touristin, die sowieso morgen wieder weg ist: der man zu wenig Wechselgeld zurückgibt, die man an der Theke nicht beachtet und erst einmal lange warten lässt, vor der die Kassiererin im Laden ungeniert weiter telefonieren kann, anstatt ihre Fragen zu beantworten.
Living in Rome, however, is totally different than just going there for a romantic trip, I got to learn. It is never easy to fit in a new place, and a new country, obviously. With its millions of tourists every year, Rome makes it especially hard for you though to be recognised and accepted as a new inhabitant. People could easily tell that I am no Italian, and therefore treated me like one of the many tourists: they would short-change me, and ignore me or keep talking on the phone when I was waiting to order or buy something.
Als junge Frau – damals noch deutlich blonder und mit langen Haaren – hatte ich zudem die typischen Anmachsprüche und Pfiffe abzuwehren. Das omnipräsente „Ciao bella“ ist bei den ersten zwei bis drei Malen vielleicht gerade noch gut für das eigene Ego, danach wandelt es jedoch sehr schnell zum nervtötenden Alltagsgegner – ganz zu schweigen von aufdringlicheren und unverschämteren Anmachen.
The young girl I was back then – blonde, and with longer hair than now -, I was frequently hit on, not speaking of more offensive requests. The omnipresent „Ciao bella“ may be good for your ego the first day, if at all, but it quickly turns into a daily enemy to fight.

Von Januar bis Mai hat Rom mehr Niederschlagsmenge zu verzeichnen als London. Warum ich das weiß? Weil mich der tägliche Regen in den ersten Monaten so sehr deprimiert hat, dass ich Klimadiagramme studiert habe. Sie haben mich immerhin dahingehend beruhigt, dass ich kein Regenrekordjahr erwischt hatte, sondern eine ganz normale erste Jahreshälfte. Noch im Mai hat sich die Investition in eine Regenjacke sehr gelohnt. Schöner sind dagegen der Spätsommer und Frühherbst, mit oft sommerlichem Wetter bis weit in den Oktober hinein.
Between January and May, there is more rain in Rome than in London (comparing precipitation levels). How do I know this, you might ask. Because I was so fed up with the daily rain after several months that I compared climate diagrams. At least it was not my bad luck but an average year with the usual amount of rain. In May, I invested some Money in a rain jacket and it was worth it. It seems that late summer and early autumn are the better periods of the year, with sunny days often until late October.

Glücklicherweise habe ich trotz all dem, was sich der jungen Erasmusstudentin entgegenzustellen schien, gute Freunde, italienische Freunde, gefunden. Auch die zeitweise Arbeit an der römischen Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) mit seinem wissenschaftlichen Umfeld hat mir damals geholfen, positivere Gefühle zu entwickeln. Nichtsdestrotrotz habe ich nach meinem Erasmussemester zwei Jahre gebraucht, um Rom – und Italien überhaupt – wieder bereisen zu wollen. Müll, Chaos und Oberflächlichkeit waren die Schattenseiten dieses eigentlich schönen Ortes; das Nebeneinander von Schön und Hässlich, das Rom aus meiner Sicht damals ausgemacht hat, erkenne ich auch in vielen meiner Fotos aus dieser Zeit noch wieder.
Despite all these obstacles, I was lucky to find close friends, Italian Friends. An internship at the German Archaeological Institute (DAI) helped my starting to enjoy my stay more. nonetheless, it took me two years to be willing to return to Italy at all after my Erasmus Semester was over. Rubbish and dirt, chaos and superficiality were the characteristics I disliked most in Rome, and many of my photographs from this time reflect the coexistence of beauty and uglyness typical for Rome in my view back then.

Nicht funktionierende Fahrpläne; Busfahrer, die ihre eigene Verkehrsroute nicht kennen; Streiks, die regelmäßig den ganzen öffentlichen Nahverkehr lahmlegen; aber auch Heil-Hitler-Grüße auf der Straße („wir Italiener und Ihr Deutsche waren doch schon immer Freunde“). Das sind die Dinge, die mich damals sehr gestört haben, neben universitären Hierarchien und fehlender Diskussionskultur, die das akademische Leben beeinflussten. Nie habe ich mehr gespürt, wie deutsch ich bin und wie sehr ich Wert darauf lege, dass Dinge so funktionieren, wie sie angekündigt werden, und dass man sich auf Fahrpläne genauso wie auf Aussagen anderer Menschen verlassen kann. Dass Leute eher etwas Falsches behaupten, anstatt offen zu sagen, dass sie den Weg nicht kennen, hat mich oft in die falsche Richtung gelenkt. Dass Männer hanebüchene Geschichten erzählen, um Frauen zu beeindrucken, war immerhin recht schnell zu durchschauen.
Time-schedules being neglected; bus drivers who did not know their own bus route; strikes which frequently block public transport for many hours; but also People imitating the Hitler salute in front of me („Hey, we Italians and you Germans have always been good friends“), those were things that made me struggle and not fully enjoy living in Rome, apart from the adademic culture with its strict hierarchies and lacking open discussions. Living in Italy made me realise how German I actually am for the first time; it made me realise how much it drives me crazy if things do not work the way they are announced (in time schedules, for example), or do not work at all; it made me realise how much I normally rely on Information I ask from people. In Rome I learned that people would rather tell you something random, sending you to the wrong way, instead of simply admitting that they have no clue where the place you are looking for is. It also very quickly became obvious that men enjoy telling unbelievable stories in order to impress women.
Heute kann ich Rom wieder genießen. Ich kenne mich aus und weiß, wie die Dinge laufen; mein Italienisch ist gut genug, um problemlos den Alltag zu regeln und selbstbewusst aufzutreten. Letzten Monat war ich für einen Vortrag an der „École Francaise“ in Rom und habe diesen Anlass genutzt, um – diesmal ohne archäologische To-Do-Liste – durch die Altstadt zu schlendern und mich ein wenig von der lokalen Streetart leiten zu lassen. Zwei Tage zuvor hatte ich bei einem wissenschaftlichen Workshop in Karlsruhe, zu dem ich als Expertin historischer Graffiti geladen war, viel Neues über zeitgenössische Graffiti und Streetart gelernt. Das hatte mir Lust auf eigene Entdeckungsreisen gemacht, die sich mir im Centro Storico direkt anboten, denn Rom gehört zu den pulsierenden Streetart-Zentren Europas.
Today I am able to recognise Rome’s Beauty again. I know the city well and my Italian is good enough to handle everything myself and be self-confident among Italians. Last month, I gave a paper at the beautiful „École Francaise“ in Rome, and took the chance for a long stroll through the Centro Storico, only lead by the street art of the area. Two days before, I had attended a scientific workshop on contemporary graffiti, and contributed my expertise on the historical roots of graffiti-writing. With all the new facts I had learned about contemporary graffiti, I was very excited to explore the Roman streets.

Ich liebe die erdigen Ocker- bis Rottöne römischer Häuser und den Charme abblätternden Wandputzes. Meine mehrstündige Streetart-Tour auf eigene Faust wurde nur unterbrochen von einem cremigen Cappuccino in einer winzigen Eckbar und bekrönt von einer großen Portion Spaghetti Carbonara (ohne Sahne, versteht sich). Ach, Rom, Du bist so schön! Aber nur auf Zeit…
I love the ochre and red tones of Roman facades, and the edgy flair of the flaking wall-plaster. My own street art tour was only interrupted by a creamy cappuccino in a tiny bar and a huge plate of Spaghetti Carbonara for lunch. Oh Rome, you can be so beautiful! But just for a visit…
