Reisen / Travel

Napoli: L’altra Italia

Für Norditaliener ist Rom schon fast Afrika – die Römer wiederum blicken auf das weiter südlich gelegene Neapel herab. „Africa Campana“ nennen manche den Teil Italiens, der eigentlich Kampanien heißt. Je weiter südlich eine Stadt, desto weiter unten ist sie in der italienischen Hackordnung. Die ach so geordnete norditalienische Mode- und Finanzwelt hat mit dem Chaos „da unten“ nichts am Hut.

For Northern Italians, Rome is almost Africa – but the Romans themselves look down on Naples. „Africa Campana“ is what they call Campania, the region around Naples. The further down south a city is located, the further down it is in the Italian hierarchy. The oh so clean Northern Italian financial industry and fashion world doesn’t want to have anything to do with the chaos „down there“.

Tatsächlich ist der ahnungslose Tourist zunächst einmal geschockt, wenn er aus der Landeshauptstadt Rom, einem pittoresken Hafenort an der Adria oder von einem noblen Weingut in der Toskana nach Neapel weiterreist: Es ist dreckig und chaotisch; am Bahnhofsplatz um die Stazione Garibaldi lungern zwielichtige Gestalten herum; man habe hier sogar eine Leiche liegen gesehen, erzählte mir mal jemand. Neapel polarisiert. Es ist keine geleckte Modemetrople, keine adrette Stadt am Fluss; hier locken keine Musikanten die Touristen mit romantischen Liedern in das nächste Lokal. Aber gerade weil Neapel so anders ist, fasziniert es auch. Es ist seine abstoßende Schönheit, ein Charme des Hässlichen gepaart mit dem Duft des Verfalls, die fasziniert.

It is true that Naples is shocking at first sight for those having only been to the „Eternal City“ of Rome, to a picturesque village at the Adriatic Sea or to a villa in the Tuscan vineyards before. Naples is dirty and chaotic, and shady characters hang around the train station „Stazione Garibaldi“. Someone even told me they had seen a dead body lying around in the street. Naples is controversial; some love it, some hate it. It is not a fancy fashion metropolis nor a picturesque town with a river; no street musicians attract tourists with their romantic songs. But it is because of its edginess that Naples is also very fascinating. Its revolting beauty, the charme of the hideous combined with the smell of destruction, fascinates us.

Diese abschreckenden Worte sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Neapel kulturell und kulinarisch viel zu bieten hat. Da sind zum Beispiel die Sfogliatelle, eine hörnchenförmige Blätterteigspezialität (von foglia: das Blatt), die klassischerweise mit Ricotta, oft aber auch mit Nutella gefüllt wird. Eine andere typische neapolitanische Süßigkeit ist Babà, ein halbrundes Hefeküchlein, das nach dem Backen in Rum und Sirup getunkt wird.

In Neapel wurde angeblich die Pizza erfunden (was wahrscheinlich jede Stadt in Italien gerne von sich behauptet). Aber wer aus Rom und Norditalien hauchdünne Pizzaböden gewohnt ist, wird in Neapel sein blaues Wunder erleben: Pizza ist hier in der Regel dick, schwer und ölig. Mein persönlicher Favorit unter den neapolitanischen Spezialitäten ist die Melanzane alla Parmigiana oder Parmigiana di Melanzane: Eine vegetarische Lasagne aus Auberginen, Tomaten und Parmesan, manchmal auch mit Lagen von Omelette dazwischen. Natürlich bekommt man Neapel auch viele andere süditalienische und sizilianische Spezialitäten, darunter meine heißgeliebten Arancini: Das sind frittierte Reisbällchen mit Bolognese-Füllung. Derartige frittierte Vorspeisen lieben die Italianer, und man kann z.B. frittierte Oliven (olive ascolane), simple Reisbällchen (supplí) oder Kürbisblüten (fiori di zucca) nicht nur als Vorspeise im Restaurant bestellen, sondern sie auch an vielen Pizzabuden als Snack auf die Hand mitnehmen. Unbedingt probieren!

Besides its sometimes scary appearance, Naples has a lot of good food and an interesting history to offer. One typical Napolitanian cake is called Babà and soaked in rum and sugar. Sfogliatelle (foglia: leaf) are made from puff pastry and filled with Ricotta cheese or sometimes chocolate cream.

Rumour has it that pizza was invented in Naples (but which city wouldn’t love to claim this invention for itself?). If you expect the thin and light pizza base you know from Rome or Nothern Italy, however, you will be surprised: Napolitanean pizza is very thick and oily. My personal favourite food from Naples is the Melanzane alla Parmigiana (or Parmigiana di Melanzane), a vegetarian lasagna made from eggplants, tomatoes and parmesan cheese, sometimes with layers of omelette in between. Of course you will also find a variety of delicacies from South Italy and Sicily in Naples, for example my beloved Arancini: fried rice balls with bolognese filling. Italians love such fried antipasti, and you can get fried olives (olive ascolane), simple rice balls (supplí) or pumpkin flowers (fiori di zucca) not only as starters in restaurants but also as a snack to go. A must-try!

Ich selbst kann nicht behaupten, Neapel gut zu kennen. Oft passiere ich die Stadt nur unterirdisch: Von Rom mit dem Zug kommend, eile ich durch die unterirdischen Gänge der Stazione Garibaldi zur Circumvesuviana: der S-Bahn um den Golf von Neapel, die mich nach Pompeji bringt. Natürlich hat die Stadt selbst mit seinen eine Million Einwohnern genug zu bieten, vom Duomo di San Gennaro über die Katakomben bis hin zum Museo Nazionale Archaeologico. Aber wer länger vor Ort ist, sollte sich auch Ausflüge zu den antiken Vesuvstädten Pompeji und Herculanum, zu einer der vielen römischen Villen – z.B. in Stabiae oder Oplontis – oder in das schöne Sorrent nicht entgehen lassen – alles erreichbar mit der S-Bahn Circumvesuviana. Wer ein Auto zur Verfügung hat, kann die Amalfiküste entlangbrausen, die griechisch-archaischen Tempel in Paestum besuchen oder Büffelmozzarella und Limoncello auf einem der umliegenden Landgüter kosten und kaufen. Und Lauffreudige können den Vesuv erklimmen, dessen Ausbruch 79 n.Chr. den Golf von Neapel erschütterte. Kurz: Neapel ist ein guter Standort für viele spannende Ausflugsziele – ob Natur, Geschichte oder Delikatessen, hier werden alle Vorlieben bedient.

I would lie if I say I know Naples very well. In fact, most often I just pass it when I come from Rome and only change trains at the Stazione Garibaldi to head to Pompeii. The city does have many interesting places to visit though, be it the Duomo di San Gennaro, the catacombs or the Museo Nazionale Archaeologico. If you stay longer, you shouldn’t miss a trip to the ancient towns of Pompeii and Herculaneum, to one of the many Roman villas like the ones in Stabiae and Oplontis or to the beautiful town of Sorrent. You can reach all these places by train: As the name tells, the Circumvesviana drives around the mount Vesuvio. If you have a car, you can also drive along the famous Amalfi coast, visit the archaic temples of Paestum or a local farm and taste lemon liquor (Limoncello) and mozzarella cheese made from buffalo milk. If you fancy a hike, you may climb up the Vesuvius and enjoy the view over the bay of Naples. In short: Naples is a good location, no matter if you are interested in nature, history or fine food.

3 Kommentare

  1. Schon sehr lange möchte ich gerne einmal nach Neapel (und Umgebung). In all der Zeit bin ich nicht jünger geworden und mehr denn je frage ich mich, wie sicher Neapel ist für ältere Herrschaften wie meine Frau und mich, die nicht verarmt aussehen, eher „gutbürgerlich“. Können wir uns da auf die Strasse trauen, mit der S-Bahn nach Pompeji fahren, zum archäologischen Museum laufen, shoppen gehen usw. usw.? Die nächste Frage ist die der Unterkunft: Neapel kann anscheinend sehr teuer werden. Liest man dann die Reviews im Internet, kommen Zweifel auf, ob die Qualität und Sauberkeit der Hotels die hohen Preise rechtfertigen. Oder ist das einfach das Chaos, das man umarmen und mit dem man leben muss? Wie wichtig ist es, dass man italienisch spricht? Das alles klingt vielleicht etwas albern, aber es hat nicht viel Sinn, Risiken unrealistisch einzuschätzen. Es ist nun einmal so, dass wir, wegen unseres Alters, davon ausgehen müssen, dass wir nicht durch jeden ganz für voll genommen werden. Ich weiss, dass Sie keine Reiseberatung haben, aber vielleicht haben Sie ein Link oder Tipps?

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    1. Ich würde Neapel nicht als unmittelbar gefährlich für Touristen bezeichnen, wenn man sich im Stadtzentrum, zwischen Bahnhof und Castel Nuovo, bewegt. Dennoch sollte man wachsam sein und sich vor Taschendieben hüten. Ich habe mehrere Freunde, die ein Jahr in Neapel studiert haben und dort gut zurechtgekommen sind; meine Mutter und ihr Partner (beide 70) waren auch vor zwei Jahren eine Woche dort. Allerdings können die Hotels durchaus manchmal eine böse Überraschung sein, ich wüsste allerdings nicht, wie man dem vorbeugen soll. Ähnliches ist mir auch schon in London passiert, wo die Fotos bei der Online-Buchung eines großen Anbieters (booking.com) einfach Falsches versprochen haben. Gute Erfahrungen habe ich allerdings bisher andernorts am Golf von Neapel gemacht – im modernen Pompeji selbst (nettes Örtchen mit überwiegend italienischen Touristen, siehe meinen Blogeintrag unter https://durchdiebrille.com/2015/07/11/pompei-santuario/), in Vico Equense oder in Sorrent: Sie könnten sich ja auch dort einmieten und umgekehrt nach Neapel reinfahren, wenn Sie die Stadt sehen möchten. Die archäologischen Stätten liegen alle außerhalb, zwischen Neapel und Sorrent, so dass man dafür ohnehin S-Bahn fahren muss.

      Grundsätzlich sollte man schlicht darauf gefasst sein, dass Vieles in Neapel (und in Ercolano und Nachbarorten) etwas dreckiger und heruntergekommener aussieht, die Durchschnittsklientel in der S-Bahn etwas abgerissener und die jungen Leute oft lauter sind als andernorts. Man kann aber problemlos mit der Curcumvesuviana (S-Bahn) die verschiedenen Orte am Golf von Neapel anfahren und kommt mit Englisch durch, auch wenn viele Leute mehr schlecht als recht sprechen.

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