Archäologie / Archaeology

Eine kleine Geschichte des iberischen Schweins

Spanien ist ein Land mit nicht nur – für europäische Verhältnisse – sehr großer Fläche, sondern auch sehr diversen Landschaften und klimatischen Bedingungen; das haben wir auch auf dem Fahrrad gemerkt. Die iberische Halbinsel hat eine dementsprechend komplexe Geschichte, weil sie in vorrömischer Zeit von unterschiedlichen Stämmen und Volksgruppen besiedelt wurde.

Spain does not only occupy a (in European terms) giant geographical area but also possesses very diverse landscapes and a varied climate, as we realised during our trips by bike. The Iberian peninsula therefore also has a very complex history, because it was populated by different tribes and communities.

Iberische Löwen, 4.-1. Jh. v. Chr. // Iberian lions, 4th-1st century BC.

„Die“ iberische Kultur ist eigentlich ein Konglomerat, und was wir als solches bezeichnen, ist ein breiterer Streifen entlang der Ostküste, zum Mittelmeer hin, bis runter nach Andalusien. Während die Fundplätze des unmittelbaren Küstenstreifens als iberisch bezeichnet werden, nennt man den Abschnitt weiter (nord)westlich davon (nordöstlich von Madrid, um Soria) keltiberisch – obwohl sich bei den „iberischen Kelten“ keine kulturelle Einheitlichkeit wie für die Kelten in Mittel- und Westeuropa nachweisen lässt.

What we call „the“ Iberian culture is rather a confusing conglomerate: the settlements along the Spanish east coast, down to Andalusia, are called Iberian, while the area to its north-east, around the city of Soria, is called Celtiberian – even though there seems to be no cultural consistency as for the Celts in Central and Western Europe.

Keramik aus Numantia, 2.-1. Jh. v. Chr. // Pottery from Numantia, 2nd-1st century BC. 

Im 1. Jahrtausend v. Chr. soll nach Ausweis der antiken Schriftquellen das Königreich (?) Tartessos (im Alten Testament „Tarschisch“) existiert haben, das die Forschung im Süden der iberischen Halbinsel, zwischen Sevilla und der Mündung des Guadalquivir verortet. Dort entstanden auch, v. a. im 8. und 7. Jh. v. Chr., phönizische Kolonien wie Gadir (Cádiz), Malaca (Málaga) und Sexi (Almuñecar). Mit dem vielleicht aus den Differenzen zwischen Einheimischen und Neuankömmlingen resultierenden Untergang der tartessischen Kultur geht wohl die Entwicklung iberischer (und turdetanischer) Kulturen einher: Die überwiegend im 6. bis 4. Jh v. Chr. entstehenden iberischen Siedlungen waren im Nordosten (heutiges Katalonien, z. B. Ullastret) von griechischen, im Süden von phönizischen Einflüssen geprägt. Von den laut der antiken Schriftquellen zahlreichen griechischen Kolonien lassen sich archäologisch jedoch nur Emporion und Rhodos belegen.

According to Greek and Latin sources, a legendary kingdom (?) named Tartessos (“Tarschisch” in the Old Testament) existed on the Iberian Peninsula in the 1st century BC; scholars locate it in the south, between the city Sevilla and the mouth of the river Guadalquivir. In this region, along the southern coast, Phoenician colonies were founded in the 8th and 7th century BC. Maybe because of the differences between new and old settlers, the Tartessian culture came to an end around the 6th century BC; its downfall apparently marks the beginning development of the Iberian culture(s). Iberian settlements mainly date between the 6th and 4th century BC and were influenced both by the Greeks (in the North/present-day Catalunya, e.g. the site of Ullastret) and the Phoenicians (in the South). Even though literary sources speak of a number of Greek colonies on the Iberian peninsula, only Emporion and Rhode have been located however.

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Emporion.

Die heterogene „iberische Kultur“ wird lediglich durch ihren Sprachraum definiert; die iberische Sprache war keine indogermanische Sprache. Sie ist durch Inschriften belegt, ihr Alphabet ist phönizisch und möglicherweise auch griechisch beeinflusst, wobei die Schrift teils linksläufig, teils rechtsläufig verwendet wurde.

The heterogeneous Iberian culture is defined only its language. The Iberian language does not belong to the family of indogermanic languages. It has survived in inscriptions, which use different alphabets, influenced by the Phoenician, and maybe the Greek, alphabet, and which were party written left-to-right, party right-to-left.

Iberische Frauenstatuen, MAN Madrid. // Iberian female statues, MAN Madrid.

Der Naturraum der iberischen Halbinsel prägte nicht nur die Verteilung und Anlage von Siedlungen und Städten, sondern war auch unmittelbares Vorbild für plastische Darstellungen: Vor allem in der Extremadura, aber auch um Madrid, z. B. in den Provinzen Segovia und Salamanca, hat man zahlreiche große Steinplastiken von Stieren und Ebern gefunden („verracos di pietra“), die ins 5. oder 4. Jh v. Chr. datieren und auf den keltischen Stamm der Vettonen zurückgehen. Diese Tierwelt prägt Spanien noch heute: der Stier ist Nationalsymbol, der Stierkampf – wenn auch umstritten – traditioneller Bestandteil der spanischen Kultur; das Schwein begegnet einem zumeist auf dem Teller: als Krustenbraten (cochinillo), als Speckstück zum Bier oder in Form des berühmten Schinkens, des Jamon Iberico. Aber auch in freier Wildbahn begegnen die schwarzen Schweine (cerdos Ibericos): ihr Fleisch ist so geschätzt, weil sie sich als freilaufende Tiere von den Eicheln der Korkeichen ernähren.

The natural environment of the Iberian peninsula has influenced the distribution of settlements of cities, and it served as a model for plastic sculpture: In the Extremadura, but also in the provinces Segovia and Salamanca, for example, around Madrid, a number of large-scale stone representations of bulls and boars from the 5th century BC have been found, going back to the Celtic tribe of the Vettones. Its wild life still dominates Spain: The bull is a national symbol, the bull-fight – even if debatable – part of Spanish culture; the boar/pig you will mostly meet on our plate: as crispy roasted pork (cochinillo), as bacon that comes with the beer, or as the famous Spanish ham, Jamon Iberico. You can, however, also meet free-range wild black pigs; their meat is supposed to be that excellent because they exclusively feed of acorns from the Spanish cork trees.

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Assimiliation.

Ein besonderes Erlebnis war für uns der Besuch in Munigua, einer römischen Stadt mit iberischer Vorbesiedlung und Projekt des Deutschen Archäologischen Instituts Madrid bei Villa Nueva del Rio y Minas/Sevilla. Ihr Terrassenheiligtum erhebt sich eindrucksvoll über einer paradiesischen Landschaft aus silbrigen Eichenwäldern, in denen das scheue iberische Schwein haust. Aber auch Katzen, Hunde, Eidechsen und Hirschkäfer führen dort ein friedliches Leben.

An almost magic experience was the visit at Munigua, a Roman city with Iberian origins near Villa Nueva del Rio y Minas/Sevilla. The site has been excavated by the German Archaeological Institute Madrid, and its Roman terrace sanctuary is surrounded by silvery cork oak forests which give home to the timid Spanish pig, the “cerdo Iberico”. The site is inhabited by dogs, cats, lizards and stag beetles.

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The magic of Munigua.

Randbemerkung: Wir haben es auf unserer Reise aus Zeitgründen leider nicht nach Portugal geschafft (auch wenn es ursprünglich geplant war), deshalb erwähne ich im Text keine archäologischen Stätten in Portugal, auch wenn es dort zahlreiche zu besichtigen gibt.

Side note: we have not travelled to Portugal on our tour due to reasons of time (although we had originally planned it), that is why I do not mention any Portuguese site here even if there are many interesting ones to visit.

 

 

3 Kommentare

  1. Das Thema „Die iberische Schweineskulptur und ihre Beziehung zur Esskultur im heutigen Tras os Montes“ hatten wir uns bei unserer Stipendiumsreise (1992/93) als mögliches Habilthema überlegt!

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